Geisterstadt – Poggioreale und Gibellina

Geisterstädte! Es gibt viele auf Sizilien, die 7 Dörfer Villaggi Schisina haben wir ja schon beschrieben (Siehe Blog…). Doch die von einem Erdboden 1968 zerstörte Stadt Poggioreale ist unbeschreiblich! Die Stadt liegt im Hinterland unterhalb Palermos ziemlich abgelegen in den Bergen und war bis 1968 eine typisch sizilianische Kleinstadt, mit ca. 4000 Einwohnern. Das Leben ist beschaulich, es wird Weinbau und Olivenzucht in den nahen Feldern betrieben und viele Schafe und Ziegen werden gehütet. Wasseranschluß und Kanalisation ist seit vielen Jahren selbstverständlich, aber Strom gibt es erst seit ein paar Jahren, über eine extra gebaut Leitung. Und die Zufahrtsstraße zur Kleinstadt ist auch noch recht neu. Dann erschüttert am 15.1.1968 ein starkes Erdbeben die gesamte Region und innerhalb von wenigen Minuten stürzen die meisten Gebäude und alle Kirchen der Kleinstadt ein. Im Umkreis kamen 900 Menschen ums Leben und zehn Städte und Dörfer wurden weitgehend zerstört. Allein 400 Menschen werden in Poggioreale unter den Trümmern begraben. Viele Überlebende wanderten (z.B. nach Amerika) aus.

Die Stadt ist 1968 dermaßen zerstört, dass ein Wiederaufbau nicht in Frage kommt. Viele Häuser, die aus den Gründungsjahren 1642 stammen, wurden mit Tonnengewölbedecken (absolut nicht erbebenfest) erbaut. Also beschließt der italienische Staat eine neue Stadt in einigen Kilometern Entfernung zu bauen. Das dauert etliche Jahre, aber letztendlich ziehen die meisten Bewohner aus den Notunterkünften dann Ende der 70er Jahre in das neue Poggioreale um. Durch die Nähe zu ihren bisherigen Feldern führen die meisten ihr gewohnte Leben weiter. Das zerstörte Pogioreale (Ruderi di Poggioreale) wird notdürftig eingezäunt und für normale Besucher gesperrt. Die bisherigen Bewohner dürfen ab und zu in die Stadt um ihre Sachen zu bergen. Dieser Status quo besteht seit 50 Jahren und so steht die, seit dem Erdbeben zerstörte Stadt weitgehend unberührt da und verfällt.

Als ich die Geschichte per Zufall gelesen habe (in Reiseführern findet man keinerlei Hinweise), haben wir beschlossen dort vorbei zu schauen. Auf dem Weg gabs einige RIESIGE Starschwärme (so viele haben wir seit unserer Kindheit nicht mehr gesehen) und dann gings über eine typisch italienische SP (Strada Provinziale) in die Berge. Als die Geisterstadt auftaucht war es sehr komisch: Die Häuser schauen auf den ersten Blick normal aus (typisch Sizilianisches Dorf), wenn man genau schaut, sieht man, dass es nur Ruinen sind. Am Hauteingang waren eine Menge Hunde und ab und zu ein Auto, also sind wir mit dem Moppel einmal um Poggioreale gefahren und haben am „Hintereingang“ geparkt. Dort führt ein Trampelpfad (von Schafen und Menschen) an der Sperrung vorbei in die Geisterstadt und wir waren einige Stunden wie auf einem anderen Stern. Die Häuser sind in allen Verfallsstadien (alles steht noch, bis komplett zerstört) und es ist sehr abenteuerlich und unglaublich lohnend, sich die Stadt anzuschauen. Man sieht noch, dass die Häuser erst einige Jahre vor der Katastrophe Strom bekommen haben (Aufputz-Leitungen) und die meisten Gebäude waren mit Tonnengewölben versehen. Ein unglaublicher Ort, der uns zum schauen und nachdenken gebracht hat. Ein absolutes Highlight!

Danach sind wir in den 8 km entfernten Ort Gibellina Vecchia gefahren, der 1968, noch weit mehr als Poggioreale, zerstört wurde. Die überlebenden Bewohner hatten weniger Glück, ihr neues Dorf wurde 10 km entfernt errichtet und am Reißbrett entworfen. Dazu wurden noch Unmengen an moderner (Beton-)Kunst installiert. Besonders ein speziell skurriler Bau, das Theater (als eine „begehbare Skulptur“) hat es nur bis zur modernen Beton-Ruine geschafft! Nun steht eine unbeschreiblich seltsame Betonhülle mit Bauzaun herum zentral in der Mitte der Stadt. Alles ist seltsam skurril und vor allem, sehr verlassen! Die Planung und Realisierung des neuen Dorfes hat über 10 Jahre gedauert und so waren schon viele Bewohner aus den Notbaracken „geflohen“. Diejenigen, die in den Ort eingezogen sind, wurden bis heute nicht heimisch. Die Felder sind viel zu weit entfernt und die ganze, gute gemeinte moderne Kunst ist zum Großteil verfallen und bringt den einfachen Bürgern nichts. Ein sehr trauriges Schicksal! Zu guter Letzt wurde das alte Gibellina mit einer 1,5 Meter dicken Betonschicht zugemauert (auch wieder im Sinne der modernen Kunst) und steht nun als größtes Flächenkunstwerk der Welt da. Ein wirklich trauriges Ende, da die bisherigen Bewohner so nicht mal ihre alten Häuser aufsuchen können…

 

Starshow derExtraklasse!